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Gedanken zur physikalischen Begründung der heutigen Thermodynamik für Gemische

Sonntag, Dezember 15th, 2013

Die zentrale und technisch wichtigste Aufgabe der Thermodynamik von Gemischen ist die Ermöglichung von Phasengleichgewichtsberechnungen.

In technisch vielen Fällen ist ein Flüssigkeitsgemisch mit vorgegebenen Konzentrationen verschiedener Substanzen bei einer vorgegebenen Temperatur der Ausgangspunkt der Berechnungen. Das Ziel der Rechnung ist dann die Bestimmung der dem Siedegleichgewicht entsprechenden Dampfkonzentrationen und des Siededruckes.

Zu dieser zentralen Aufgabe der Gemischthermodynamik existiert eine unglaubliche Vielzahl von Theorien, Methoden und empirischen Vorgehensweisen, die trotz aller praktischen Erfolge leztlich immer noch nicht zu physikalisch begründeten ohne wesentliche Empirie- Anteile auskommenden Berechnungsgleichungen geführt haben.

Die theoretischen Ausgangspunkte von Phasengleichgewichtsberechnungen sind

-Zustandsgleichungen für Gemische und sogen.  -Aktivitätskoeffizienten- Modelle.

Grundlage der Rechnung ist immer die Feststellung  der partiellen molaren Freien Enthalpie jeder Komponente des Gemisches, denn Gleichgewicht besteht dann, wenn die partiellen Freien Enthalpien der Komponenten in verschiedenen Phasen des Gemisches übereinstimmen.

Alle heute in der Gemischthermodynamik gebräuchlichen Zustandsgleichungen sind letzlich von der physikalisch begründeten van der Waals- Zustandsgleichung, der Virial- Gleichung und Ansätzen der Statistischen Thermodynamik abgeleitet. In vielen technisch wichtigen Fällen sind Weiterentwicklungen der klassischen  van der Waals- Gleichung  Ausgangspunkt von Phasengleichgewichtsberechnungen geworden.  So z. B. die Soave- Redlich-Kwong- Gleichung und die Peng- Robinson- Gleichung, die ausgehend von ihrer  für reine Stoffe erklärten Formulierung auch auf  Stoffgemische ausgedehnt wurden. Allerdings sind diese Weiterentwicklungen mit erheblichen empirischen Anteilen verbunden, die sich sowohl auf den reinen Stoff als auch auf das Gemisch beziehen. So wird zur besseren Anpassung der Zustandsgleichung an das Realverhalten der Reinstoffe ein sogen. azentrischer Faktor ω eingeführt, der theoretisch fundiert nicht bestimmt werden kann, sondern mit Meßwerten und ausgeprägt empirisch für jeden Stoff  zu ermitteln ist. Der empirische Anteil zur Beschreibung der Gemischeigenschaften in heute gebräuchlichen Gemischzustandsgleichungen der Technischen Thermodynamik ist erheblich. Er zeigt sich besonders in dem Teil der Zustandsgleichungen, die den Einfluß der molekularen Wechselwirkungen der Gemischbestandteile darstellen. Das geschieht dann so, daß für jede mögliche Stoffkombination einer Mischung spezielle Parameter der Zustandsgleichung durch Laborversuche festzustellen sind.

Bei der praktischen Anwendung von Gemischzustandsgleichungen ergibt es sich oft, daß das pvT- Verhalten gerade der flüssigen Phase zu ungenau erfaßt ist. Die Berechnung der partiellen Freien Enthalpie zur Bestimmung des Stoffgleichgewichts ist dann ebenfalls viel zu ungenau. Zur Beschreibung flüssiger Gemischphasen werden deswegen heute sogen. Aktivitätskoeffizienten- Modelle angewendet, die es gestatten, sogen. Aktivitäten und damit letzlich die partiellen Freien Enthalpien der Komponenten in der Flüssigkeit mit einer höheren Genauigkeit anzugeben. Ansätze dieser Art sind z.B. die Wilson-, die NRTL-  und die UNIQUAC- Gleichung (Wilson, G.M. (1964), J. AM. Chem. Soc. 86 , 127; Renon, H., Prausnitz, J.M. (1968), AIChE J. 21, 116; Abrams, D., Prausnitz, J.M. (1975) AIChE J. 14, 135). Mit solchen Gleichungen gelingt es durchaus, für viele Stoffgemische weitgehend richtige Phasengleichgewichtsberechnungen durchzuführen. Allerdings ist der begriffliche und der empirische Aufwand bei der Anwendung solcher Gleichungen sehr erheblich. So z. B. werden sehr spezielle Daten- wie „relatives van der Waalssches Volumen“, „relative van der Waalssche Oberfläche“ usw. benötigt, die für etliche Reinstoffe empirisch ermittelt in der Literatur vorliegen. Zur Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den Molekülen sind weitere spezielle „Wechselwirkungs-Parameter“ definiert, die aus bereits bekannten Phasengleichgewichtsdaten durch Anpassungen erst ermittelt werden müssen. Von einer echten physikalisch begründeten Vorausberechnung des gesuchten Phasengleichgewichts kann also gar nicht die Rede sein, da ja vorher bekannte Gleichgewichtsdaten zur Anpassung andie vorausgesetzten Gleichungen bekannt sein müssen.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Zwang zur Bereitstellung anwendungsfähiger wenn auch weitgehend empirischer Berechnungsmethoden auf Grund der rasanten chemischen und verfahrenstechnischen Weiterentwicklung der stoffwandelnden Industrie sehr hoch war, so daß die gen. und noch weitere weitgehend empirische Gleichungen zur Phasengleichgewichtsberechnung entstanden sind. Sicherlich ist auch festzustellen, daß die Theoretische Physik bisher nicht inder Lage war, durch Bereitstellung entsprechender Theorie- Vorgaben den Empirie- Anteil wesentlich zu verringern.

Nun ergibt es sich, daß eine ausgehend vom physikalisch begründeten van der Waalsschen Ansatz  formulierte Zustandsgleichung für Flüssigkeiten der Variablen p-Druck (MPa), v- Volumen (cm³/mol), T- Temperatur (K)

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mit dem Eigenvolumen b (cm³/mol) der Moleküle des Stoffes, einem Parameter K ( der mit dem mit dem Dampfdruck berechenbar ist) und der allgemeinen Gaskonstante R (J/mol K)  zu Berechnungsgleichungen für Gemische führt, die es erlauben, Phasengleichgewichte mit einem nur geringen Empirie- Anteil zu bestimmen. Das sogen. Eigenvolumen in obiger Flüssigkeits- Zustandsgleichung erweist sich als berechenbar, wenn nur ein einziger Datenpunkt des jeweiligen Stoffes bekannt ist.

Für Bedingungen niedriger bis mäßiger Drücke führt die Theorie mit obiger Flüssigkeitszustandsgleichung zu relativ einfachen Berechnungsgleichungen des Phasengleichgewichts von Stoffgemischen, die nach ihrer Programmierung per Computer lösbar sind. Man erhält die jeweilige Gemischzustandsgleichung und eine Gleichgewichtsbedingung, die aus der Gleichheit der partiellen Freien Enthalpien der Gemischkomponenten in unterschiedlichen Phasen folgt. Die Formulierung dieser Gleichungen ist nur mit o. gen. Flüssigkeitszustandsgleichung möglich, die das Verhalten von Flüssigkeiten akzeptabel genau beschreibt. So zeigt sich z. B., daß so gar keine „azentrischen Faktoren“ und auch keine sogen. „binären Parameter“, mit denen die Wechselwirkungen zwischen Gemischkomponenten empirisch erfaßt werden müssen, erforderlich sind. Auch die Anwendung der  sogen.  Aktivitätskoeffizienten- Modelle, die ja weitgehend empirisch formuliert sind, kann so entfallen, da die partiellen Freien Enthalpien bzw. Fugazitäten der Gemischkomponenten ausgehend von einem physikalisch begründeten van der Waals- Ansatz für Gemische dargestellt werden können. Die Theorie dazu und die per Computer programmierbaren Berechnungsgleichungen sind ersichtlich: Tampe, F.:“ Stoffwerte von Flüssigkeiten und realen Gasen- berechnet mit Gesetzmäßigkeiten kritischer Phänomene“, 2009, ISBN 978-3-00-027253-0; „Neue Berechnungsmöglichkeiten thermophysikalischer Daten für reine Stoffe und Gemische“, ISBN 3-00-018582-5, 978-3-018592-2.

Zur Überprüfung der neuen Berechnungsmöglichkeiten wurden exemplarisch binäre und auch ternäre Gemische mit Verhaltensweisen von fast ideal bis hin zu ausgeprägt real untersucht. Es zeigt sich, daß die berechneten Konzentrationen immer einer Näherung im Prozentbereich gegenüber Meßdaten entsprechen. Selbst die Anwendung für extrem reale Gemische- also für Gemische mit Mischungslücke (wie z.B. Wasser- Benzol, Wasser- Butanol, Wasser- Phenol) erweist sich als machbar. Damit ist dann sogar die Berechnung von Löslichkeiten, also z. B.  die Berechnung der Löslichkeit von Benzol in Wasser bei guter Übereinstimmung mit Meßwerten möglich.

Die bisher in der technischen Gemisch-Thermodynamik so wichtigen aber weitgehend empirischen Aktivitätskoeffizienten- Modelle sind nun ergänzt durch die Theorie- Schlußfolgerungen für Gemische, die sich aus der o.gen. Flüssigkeitszustandsgleichung ergeben. Aktivitätskoeffizienten können so viel einfacher und ohne spezielle Vorleistungen – wie „relatives van der Waalssches Volumen“, „relative van der Waalssche Oberfläche“ und durch Messungen und Anpassungen zu bestimmende „Wechselwirkungsparameter“ – berechnet werden. Die Theorie dazu und die zur Programmierung erforderlichen Berechnungsgleichungen werden in einer 2014 beabsichtigten Veröffentlichung im Detail dargestellt („Thermodynamik der Flüssigkeiten und realen Gase- alternative Berechnungen mit Gesetzmäßigkeiten kritischer Phänomene“).